Angedacht 1/2018

Liebe Leserinnen und Leser,

Menschen kreuzen den Kreuzweg Jesu. Vielfältig und verschieden sind die Möglichkeiten, sich zu Jesu Leiden zu stellen.


Man kann es heraufbeschwören wie der Widersacher Judas. An ihn erinnern in unserem Ostergarten der Geldbeutel und der Abendmahlskelch.
Man kann selbst versagen angesichts dieses Leidens wie Petrus, der seinen Herrn verleugnet.
An ihn erinnern die Schlüssel und der Hahn.
Man kann aber auch versuchen, selbst ein Stück auf diesem Weg Jesu mitzugehen, Jesus ein wenig von seiner Last abzunehmen, selbst ein wenig von dieser großen Liebe zu leben, die uns allen in Jesus widerfährt.

Diese letzte Möglichkeit ist das, was Simon von Kyrene getan hat.
Die Bibel weiß nicht viel von ihm zu berichten. Die Andeutungen in den Evangelien sind spärlich. Noch am ausführlichsten berichtet Markus. Er schreibt:

Und sie führten ihn hinaus, dass sie ihn kreuzigten. Und zwangen einen, der vorüberging, mit Namen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage. Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte. (Markus 15,20ff)

Der Evangelist Markus hat ihn wenigstens für so wichtig gehalten, dass er nicht nur Namen und Herkunftsort, sondern auch die Namen der beiden Söhne überliefert. Außerdem berichtet er, dass Simon gerade vom Feld kam.
Er war wohl ein Bauer.

Simon wird zu seinem Dienst gezwungen. Er hat sich nicht angeboten. Er trägt das Kreuz nicht freiwillig. Er ahnt wohl auch nicht, welche Ehre und welches Vorrecht es bedeutet, dem Heiland selbst das Kreuz tragen zu dürfen.
Gezwungenermaßen und eher zufällig ist es zu diesem Liebesdienst gekommen. Es war wohl auch ein kleiner und ihn nicht überfordernder Akt, der ihn schließlich dem Gedächtnis der Christenheit eingeprägt hat.

Was Simon hier tut, bedeutet aber für Jesus eine Entlastung.
Was Simon hier tut, ist ein Beitrag, der für Jesus den Weg nach Golgatha leichter macht.
Es kommt nicht auf die Größe dieses Beitrags an.
Das Werk der Erlösung können wir dem Erlöser ohnehin nicht abnehmen. Der Beitrag des Simon ist weder heldenhaft, noch der Inbegriff der Aufopferung. Aber er ist eines: er ist ein winziges Stückchen Solidarität.
Es ist sein Beitrag. Sein Stück vom Weg Jesu.
Und das genügt.

In der Kinderkirche singen wir immer wieder den Kanon: „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern, können zusammen das Leben bestehn.“

Wir suchen und brauchen keine Übermenschen.
Aber wir leben von vielen solcher winziger Simon-Beiträge.
Von ihnen lebt auch unsere Gemeinde, unsere Kirche.

Ihr Pfarrer Ulrich Wildermuth