Angedacht 3/2015

Liebe Leserinnen und Leser,

Ende August, ein schwül warmer Spätsommertag, die Sonne scheint, der Himmel ist blau, Vögel zwitschern, alles perfekt: Ein Tag zum Träumen, zum Abhängen, zum Nichtstun.
Da plötzlich passiert es: Mitten im Supermarkt, ganz unvorbereitet, ohne Vorwarnung schaut ER dir plötzlich ins Gesicht – und er grinst. Du erschrickst, gehst in Deckung hinter einer Säule, guckst ganz vorsichtig hervor, aber ganz ohne Zweifel: ER ist es, der da steht, mit seinem dicken Bauch, breit grinsend. Und seinen Mantel hat er auch an, muss doch schwitzen…Nein, das kann nicht sein, mitten im Sommer, bei über 30° im Schatten – und dennoch: ER ist es: Der erste Schokoladenweihnachtsmann des Jahres! Daneben Marzipankartoffeln und Spekulatius – das volle Programm.
Mitten im Sommer. Oh ja, da muss man ganz klar in Weihnachtsstimmung verfallen: Schneeflöckchen Weißröcken schwirrt durch den Kopf, während du verwundert dastehst in kurzen Hosen und T-Shirt.

Ich frage mich: Warum muss das sein?
Wer kauft denn die Sachen? Ich beobachte die anderen Einkäufer ein bisschen dabei. Manche sind so wie ich erstaunt, tuscheln mit ihrer Einkaufsbegleitung, andere schauen kurz hin, schütteln den Kopf. Ich sehe unterdessen keinen, der etwas davon kauft. Vielleicht trauen die sich nicht bei Tageslicht, das Weihnachtszeug zu kaufen - keine Ahnung. Ich jedenfalls werde diese Ecke im Laden in Zukunft meiden, so gut das eben geht.


Für mich steht hier fest: gute Artikel zur falschen Zeit ….aber ich merke auch, dass das nicht nur im Supermarkt so ist. Ist jetzt nicht erst mal was anderes dran? Wenn die Geschäfte schon Wert auf christliche Feste legen um ihre Waren zu verkaufen, sollten sie jetzt nicht erst mal Erntedank feiern? Würde sich im Supermarkt doch echt auch anbieten oder?

 

Erntedank: ein Fest, das scheinbar an Bedeutung verliert. Doch ich finde es auch in unserer Zeit sehr wichtig dankbar zu sein. Nicht nur darüber, dass wir mit Lebensmitteln so überreich beschenkt sind, dass wir scheinbar vergessen dafür dankbar zu sein; nein, wir können für sehr vieles in unserem Leben unserem Schöpfer danken. Von der Schulbildung angefangen, über Gesundheit und medizinische Versorgung, für unsere soziale Absicherung, und dass wir hier in Frieden und Wohlstand leben können.
Wenn ich an die Menschen denke, die vor lauter Verzweiflung ihr Heimatland verlassen müssen, um unter unmenschlichen Bedingungen ihr Leben zu retten, und versuchen in eine scheinbar sichere Zukunft zu fliehen, dann fühle ich mich beschämt, dass ich oft nicht einmal merke, wie reich beschenkt wir hier doch sind. Aber ich merke, es fordert mich heraus, täglich neu zu danken und so auch meinen Blick auf das viele Gute in meinem Leben zu lenken. Aus dieser Dankbarkeit heraus fällt es vielleicht auch leichter, etwas an andere abzu-geben, die es eben viel schwerer haben als ich.


Ich wünsche Ihnen auch immer mal wieder diesen Blick auf die Dinge zu haben, für die sie dankbar sein können. Dankbar gegenüber unserem Schöpfer und Erhalter. Ein dankbarer Mensch gibt gerne auch etwas ab, er sieht nicht weg, sondern tut Gutes, wo es ihm möglich ist- nicht nur am Erntedankfest.

Ihre Heidi Baumann