Angedacht 2/2021
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- Zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 28. Juli 2021 22:35
Meine Zeit steht in Deinen Händen
Urlaubszeit – Zeit der Ruhe, Zeit der Entspannung. Hoffentlich! Tage, Wochen, die wir genießen und hoffentlich nicht durch neue Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona Krise zurückgepfiffen werden. Nach den Einschränkungen der vergangenen Monate ist das für viele eine besonders wertvolle Zeit. – Urlaubszeit ist auch eine gute Gelegenheit, uns über unsere Zeit Gedanken zu machen. Denn Zeit ist eine besondere Größe. Keine Sekunde können wir vor, keine zurückspringen. Wieviel Lebenszeit uns bleibt, wissen wir nicht. Ein indisches Sprichwort sagt: „Achte auf diesen Tag. Er ist das kostbarste, was du hast. Gestern? Das ist vorbei. Der morgige Tag? Er ist ein Schemen. Heute lebst du.“ – Vom amerikanischen Bürgerrechtler und Pfarrer Martin Luther King stammt der Satz: „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens.“ Dieser Satz ermahnt uns, uns jetzt Zeit zu nehmen für die wichtigen Dinge des Lebens, für die schönen Dinge, die wir immer wie-der aufgeschoben haben; für die Menschen, die wir lieben, mit denen wir unsere Zeit teilen wollen. Zu Orten aufzubrechen, an denen wir Zeit verbringen möchten – zum Beispiel jetzt im Urlaub.
Zeit ist unendlich. - Aber – wenn unsere Lebenszeit abgelaufen ist, haben wir keinen Anteil mehr an ihr. Dieses Wissen dringt irgendwann in unser Bewusstsein. Aus diesem Wissen heraus erwächst mit zunehmen-dem Alter immer stärker die Frage, was bleibt von unserem Leben. Welche Bedeutung es hat über den Augenblicke hinaus? Eine Antwort auf diese Frage finde ich in Psalm 31. Da heißt es in Vers 16: „Meine Zeit steht in Deinen Händen.“
In diesem Psalm Vers geht es um mich, um meine Zeit, um die Zeit, um die ich mich sorge. Es geht um mein Leben, das verglichen mit den Millionen von Jahren der Weltgeschichte nur einen winzigen Augenblick besteht. Jede und jeder von uns lebt sein Leben. Vor, neben und hinter uns gibt es unendlich viele andere Leben. Das einzige, das wir unser eigenes nennen können, von dem ist hier die Rede. Es ist die einmalige Gelegenheit, wir selbst zu sein. Unser Leben lässt sich einmal beziffern in Jahren, Monaten, Tagen und Stunden. Von dieser Zeit wird nun gesagt, dass sie in Gottes Händen steht. Also nicht in den Händen eines blinden Schicksals, vor dem wir uns fürchten müssten. Nein, sie steht in den Händen dessen, von dem Jesus sagt: Er ist unser Vater im Himmel. Er allein hat die Macht über die Zeit. Deshalb kann der Psalm Dichter auch sagen: Unsere Zeit „steht“. Im Zusammenhang mit der Zeit ist „stehen“ ja eine merkwürdige Ausdrucksweise. Denn das ist ja das Besondere an der Zeit, dass sie niemals steht, dass immer fließt und unaufhaltsam voranschreitet. Solange sie für uns fließt, leben wir. Erst der Tod lässt die Zeit für uns still stehen. Trotzdem sagt der Psalmbeter: Meine Zeit „steht“ in Gottes Händen. Diese fließende, ständig fortschreitende, für uns auf den Tod hinfallende Zeit - vor Gott steht sie. Was für uns Vergangenheit ist; was wir eben als Gegenwart erleben; was uns in Zukunft erwartet: Das ist vor Gott immer noch und immer schon da. In seinen Händen ist es aufgehoben.
Meine Zeit steht in Deinen Händen. - Das heißt: Kein Tag ist verloren. Auch wenn er für uns Vergangenheit geworden ist. Die ungenutzten Chancen unseres Lebens, Träume und Visionen, die verwelkt hinter uns liegen; und auch die glücklichen Tage unseres Lebens, nach denen wir uns zurücksehnen, sie sind alle noch da. In Gottes Hand sind sie gegenwärtig. Das kann uns Mut machen, geduldig das eine zu tun und das andere zu lassen. Das kann uns Muße schenken, das Glück eines Augenblickes zu genießen und als Geschenk anzunehmen. Das kann uns auch trösten: Was hinter uns liegt, ist nicht verloren. Wir brauchen nicht in Erinnerungen zu erstarren. So wünsche ich uns allen eine erfüllte und von Gott gesegnete Zeit. Sie steht in seinen Händen!
Für das ganze Redaktionsteam, Ihr Pfarrer Jörg Scheerer