Weihnachten wird trotzdem
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- Zuletzt aktualisiert: Samstag, 05. Dezember 2020 18:16
Viele denken: Dieses Jahr wird kein richtiges Weihnachten. Alles ist anders. Corona verdirbt uns die Stimmung. Rechts sehen wir einen Linolschnitt von Joachim Schuster. Das Bild zeigt eine weihnachtliche Szene. Beim genauen Hinschauen sehen wir: Das Kind in der Krippe, Maria und Josef, Ochs und Esel sind in den Hintergrund gerückt. Im Vordergrund sitzt ein Wirt. Er säuft. Ein Krug liegt zerbrochen am Boden. Ein zweiter steht zum Nachschenken bereit. Dem Weihnachtsgeschehen hat er den Rücken gekehrt. Das Wunder der Weihnacht sieht er nicht. Er sieht nicht den Stern, der über seinem Haus leuchtet. Er hört nicht den Jubel der Engel. Aber verurteilen wir diesen Wirt nicht. Wir wissen nicht, was ihn verzweifeln, was ihn saufen lässt. Allerdings: Er und seine Stimmung können Weihnachten nicht aufhalten. Weihnachten wird trotzdem. Der Stern strahlt. Er kann Sauflieder grölen. Die Engel singen trotzdem. Denn als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.
Eine weit verbreitete Meinung will uns sagen: Zu Weihnachten gehört weihnachtliche Stimmung, eine bestimmte Dekoration, und es muss Schnee liegen. Auf jeden Fall muss Harmonie herrschen in der Familie. Aber was ist, wenn kein Schnee liegt, wenn die Deko fehlt und der Haussegen schief hängt? Wie beim Wirt auf unserem Bild? Dann wird Weihnachten trotzdem. - Gott hat vor langer Zeit beschlossen, in seinem Sohn Jesus Christus zu uns zu kommen. Daran ändern kein fehlender Schnee und keine fehlende Weihnachtsdeko etwas, daran ändert auch die Stimmung von uns Menschen nichts. Die Plätzchen sind verbrannt. Der Christbaum ist schief. Die die Kugeln sind zerbrochen: Es wir trotzdem Weihnachten. Corona verbietet Kontakte. In der Familie kracht es. Die Geschenke gefallen nicht: Es wird trotzdem Weihnachten. Das ist der Trost dieses Bildes: Gott macht Weihnachten. Unsere Stimmungen kommen und gehen. Gottes Entschluss bleibt. Weihnachten kommt nicht erst, wenn der Wirt nüchtern ist, wenn die Eltern sich vertragen und auf den Weihnachtsmärkten Glühwein ausgeschenkt wird. Weihnachten kommt, weil Gott es will. Es kommt mitten hinein in die übelste Stimmung, in den größten Streit, in die unordentlichste Küche. Allerdings: Auch der Wirt soll staunen können über das Wunder im Stall nebenan. Auch wir sollen es spüren dürfen, wie Gott in diesem Kind zu uns kommt. Jeder und jede soll es erfahren können, dass diese armselige Geburt in einem Stall die ganze Welt verändert. Manchmal genügt dafür eine Kleinigkeit, eine Geste, ein Wort, klein und unscheinbar, wie das Kind in der Krippe; etwas, von dem man meinen könnte, es hinge nichts davon ab.
Angenommen, die Hirten kämen zu diesem Wirt und würden ihn einladen mitzukommen. Angenommen, der der Wirt könnte Wein beiseitestellen und seinen Blick wenden, dann könnte er sehen: Gott kommt auch zu mir. Das könnte auch sein Herz öffnen. Angenommen, nur einmal angenommen, auch wir könnten an Weihnachten alle Skepsis und alle Bedenken zurückstellen; auch wir könnten das Wagnis eingehen, uns dem Kind zuzuwenden, den Stern anzuschauen und dem Gesang der Engel zu lauschen und mit einzustimmen - trotz allem, vielleicht sogar unter Tränen, weil in diesem Jahr alles anders ist und lange nicht alles gut. Vielleicht könnten dann auch wir etwas erfahren von dem, was Gott an Weihnachten werden ließ hinter dem Rücken dieses Wirtes. Das ist das Schöne an Weihnachten: Weihnachten wird trotzdem. Wir können nichts dazu beitragen. Auch wenn wir nicht in der Stimmung sind. Es geschieht ganz unabhängig von uns. Gott lässt es geschehen. - So wünsche ich uns allen, dass wir mit dabei sein können, wenn Gott es Weihnachten werden lässt! – In diesem Sinne Ihnen, den Leserinnen und Lesern unseres Gemeindebriefes, ein gesegnetes Weihnachten!
Ihr Pfarrer Jörg Scheerer
Bild: Linolschnitt „Der Wirt“ von Joachim Schuster